Project Description
Es gibt ein Problem, das wirklich alle aktiven Menschen im Tierschutz verbindet, egal wo und wie sie sich engagieren: Es gibt immer mehr Hunde auf der Suche nach Obdach als potentielle Halter! Je größer diese Diskrepanz, desto lauter jubilieren wir, wenn ein Schützling eine neue Familie findet! Da wird jede gelungene Vermittlung als die „Rettung eines weiteren Seelchens“ gefeiert und natürlich hat jeder Hund „das große Los gezogen“ und ist ein „riesengroßer Glückspilz“! Unbestritten ist ein Grund zur Freude, wenn ein neues Familienmitglied einzieht. Auch wir haben uns stets für Tierschutzhunde entschieden, weil uns das sinnvoller erschien als der Gang zum Züchter.
Erst vor wenigen Wochen haben wir unser jüngstes Familienmitglied begrüßt und mir ist deutlicher denn je bewusst: Der größte Glückspilz bei dieser Vermittlung bin eindeutig ich!
Das Jahr hatte denkbar schlecht begonnen – nämlich mit dem Tag, den ich stets gefürchtet habe. Nach 14 Jahren musste ich meinen Seelenhund, meinen treuesten Begleiter, gehen lassen. Der Krebs hatte ihm schwer zugesetzt, ich taumelte nach seinem Tod zwischen Weinkrämpfen und Depressionen…. Eins war klar: Meine Welt geht nicht ohne Sparky, es wird nie wieder schön. Keiner konnte mich trösten, nicht die verbliebenen Hündinnen, nicht meine Familie, keine Freunde. Unerträglich! Schnell war mit klar, dass ich genau 2 Optionen habe: Mich weiter in Trauer zu vergraben oder besser heute als morgen das leere Körbchen mit neuem Leben füllen! Ich brauche einen neuen Hund, einen Rüden und auf jeden Fall einen Staff. Ich wollte keine Lücke füllen, Sparky ist nicht zu ersetzen, ich wollte sinnvolle Ablenkung. Was Sinnvolles tun, einen Tierschutz-Hund!
Wussten Sie, dass derzeit 198 männliche Listenhunde ein zu Hause suchen? So viele sind jedenfalls bei der Kampfschmuser-Vermittlungshilfe verzeichnet… Ich habe sämtliche Steckbriefe gelesen und nur die Blonden hektisch weggeklickt … bloß kein Ebenbild von Sparky.
Mein Mann wirbt für einen Welpen, auch weil Sparky mit 6 Wochen zu mir kam und er unsere enge Bindung stets diesem Umstand zuschrieb. Ein Welpe? Nein! Das schaffe ich derzeit nicht und außerdem finden die Lütten viel eher ein Zuhause. Ich erwäge Tierheimbesuche … und verwerfe das schnell wieder: Schon mit gesunder Psyche sind die vielen Hunde hinter Gittern nur schwer zu ertragen! Ich erinnere mich an einen neuen Verein, Listenhunde-Nothilfe, erst vor kurzem gegründet, von Leuten, die seit Jahren Listenhunden helfen. Ich kenne einige und weiß, das sind Profis, die wissen was sie tun! Auf der HP klicke ich ihre Schützlinge durch und bleibe an einem Gesicht hängen. Alwin, acht Monate … Nimm den, meldet mein untrügliches Bauchgefühl! „Warum?“, fragt mein Mann. Ich weiß es nicht, bin aber sicher: Alwin und keinen anderen! Ich lese immer wieder seine Geschichte – denkbar schlechter Start ins Leben, beschlagnahmter Welpentransport, monatelange Quarantäne und das in Bayern: Dort darf er nicht vermittelt werden. Haltungsverbot für Listies. Ich ahne, Alwin kennt nur die gekachelten Wände der Quarantäne, er braucht viel Hilfe und Liebe, um ein normales Hundeleben zu führen! Egal! Genau die Herausforderung, die ich brauche.
Am 10. Januar zieht Alwin hier ein! Er braucht 15 Stunden, bevor er sich das erste Mal freiwillig hinlegt, so aufgeregt ist es für ihn unser Haus zu entdecken. Jeder Handgriff, alles was im Haus passiert, bestaunt er aufgeregt und aufmerksam. 20 Kilogramm unbändige Energie toben durch die Zimmer, meine Hündinnen sind alles andere als amüsiert: „Frauchen, der nervt, bring den weg, biiitttte“ scheinen sie zu betteln. Ich fühle mich in den ersten Tagen wie eine junge Mutter, bin ständig dem Junghund auf der Spur, bis zu einer Höhe von 1,50 m ist nichts vor ihm sicher. Nach drei Tagen scheint er langsam anzukommen … Er hat 2 Stunden geschlafen, meldet mein Mann. Na bitte, geht doch! Bei aller Hektik läßt mich Alwin nie aus den Augen, er hängt mir förmlich am Rockzipfel. Nur streicheln und Körperkontakt bringen ihn zur Ruhe. Es wird unser Ritual am Abend: Kuschelstunde im Hundekorb, es dauert kaum 5 Minuten und das Hundekind schlummert auf meinem Schoß, als wäre es das Normalste der Welt. Er schaut mich seltsam an, scheint dankbar und glücklich zu sein. Er schenkt mir pures Urvertrauen! Kann das sein? Nach so kurzer Zeit? Bin ich jetzt komplett sentimental? Nein, ich bin sicher, hier geschieht etwas Unerklärliches!
Wochen später weiß ich um das Band was mich mit ihm verbindet und bin stolz, dass ich dieses erstaunliche Wesen an meiner Seite habe. Ich zeige ihm die Welt und wenn er Angst hat oder unsicher ist, gehe ich vor und dann – kaum zu glauben – ist er mutig an meiner Seite. Ich wollte etwas Sinnvolles tun, eine gute Tat, ein Hund aus dem Tierschutz. Was für ein Irrtum! Es ist genau umgekehrt, ich habe ein Geschenk bekommen. Heute kann ich lächeln, wenn ich mich an den Seelenhund Sparky erinnere. Auf meinem Schoß schlummert Alwin und ich bin sicher: Alles wird gut! Das Leben ist schön!